Wahre
Volleyball Geschichten

Ein Buch von Peter Liepolt

Vor einigen Jahren erzählte mir eine russische Volleyball Olympiasiegerin eine Geschichte, eine wahre Volleyball Geschichte: wegen dem plötzlichen Tode des russischen Staatschefs wurden alle Sport- und Kulturveranstaltung in Moskau abgesagt, so auch die Spiele der Volleyball Pokal Finalrunde. Da alle Flüge in den Folgetagen ausgebucht waren, musste die Mannschaft für die Rückreise in den Heimatort, in den Süden Kasachstans, den Zug nehmen. Die Zugfahrt dauerte mehrere Tage. Anstatt sich ausruhen zu können, ließ der Trainer die Mannschaft im Zug trainieren. Eine Situation, wie sie bei uns im Westen unvorstellbar wäre. Diese Geschichte war der Auftakt für mich, wahre Geschichten, die sich rund um den Volleyballsport ereignet haben, zu sammeln und niederzuschreiben.

Das Buch

Wahre Volleyball Geschichten - ist ein Buch mit vielen kleinen und größeren Geschichten von Spielern, Funktionären, Trainern, Journalisten und anderen. Alle Geschichten sind wahr und aus der Ich-Perspektive geschrieben. Die Geschichten stammen von Amateuren und Profis, von Hobbyspielern und Anfängern bis hin zu Deutschen Meistern und Olympiasiegern sowie aktuellen und ehemaligen Verbandspräsidenten. Erlebt wurden die Geschichten in Deutschland, Russland, Italien, Spanien, USA, Botswana, Mauritius, Ukraine, Schweden, Türkei, Brasilien und der Schweiz. Ein breites Spektrum an Geschichten also, die teilweise schmunzeln lassen, interessant, kurios, lustig, aufschlussreich und manchmal auch wütend sind. Abgerundet werden die Geschichten mit Bildern, welche die Erzähler und Erzählerinnen zur Verfügung gestellt haben. Ein Buch, das nicht nur für Volleyballer lesenswert ist.

Taschenbuch: 132 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-95645-816-3
Veröffentlichung: Juli 2016

Leseprobe

Ilka Treber Von Frankfurt zu den African Championships

„Träume ich oder spielen die dort wirklich Volleyball?“ Schon in meiner Vorbereitungszeit für den Auslandseinsatz habe ich für alle Entwicklungshelfer immer abends die Volleyballspiele organisiert. Und jetzt bin ich noch keine 48 Stunden in Botswana, und was sehe ich: ein Volleyballteam, unter freiem Himmel, beim Training. Wenn das kein Zeichen ist. Kontakte im Sportbereich muss ich ohnehin knüpfen, denn mein Auftrag vom Deutschen Entwicklungsdienst (DED) ist es, in den nächsten zwei Jahren die Lehrpläne für die Technical Colleges in Botswana für „Sport und Freizeit“ weiter zu entwickeln. „Vielleicht lässt sich so Arbeit und Vergnügen prima verbinden“, dachte ich mir. Ich steuerte also auf das Volleyballfeld zu, auf dem etwa 15 junge Afrikaner, sowohl Männer als auch Frauen, zusammen trainierten. Das technische Niveau war vielleicht nicht bundesligareif, aber ziemlich gut. Die Spieler waren alle gut durchtrainiert und eifrig dabei. Als ich näher heran kam, flog ein Ball in meine Richtung. Intuitiv fing ich den Ball. Ich hoffte, dass ich beim Zurückgeben des Balles fragen kann, wie der Verein heißt, um somit vielleicht ein erstes Gespräch anzubahnen. Aber es kam noch besser. Dass der Verein „Kutlwano“ heißt, was „gemeinsam“ bedeutet, habe ich erst später richtig verstanden. Ich gab den Ball an eine der Spielerinnen zurück. Sie sagte: „Du kannst mit uns trainieren!“ Ich war gerührt und sehr glücklich, dass ich tatsächlich so schnell einen Zugang zu Volleyballern gefunden hatte. Überraschend, wie einfach das doch geht. Eigentlich sind Botswaner eher zurückhaltend und gehen nicht gleich auf jeden zu. Aber eben war das nicht so schwierig. Es schien sich als Realität herauszustellen, was ich in meiner Bewerbung an den DED geschrieben hatte: „Der Sport ist ein interkulturelles und verbindendes Element.“

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Ich machte mich am nächsten Tag wieder auf zu dem staubigen Volleyballplatz. Der Trainer sprach mit mir und lud mich zum Training ein. Ich konnte es nicht fassen, aber ich hatte anscheinend ein Volleyballteam gefunden - noch bevor ich eine Wohnung hier in Gaborone gefunden hatte. Ich muss zugeben, es war schon eine kleine Hürde für mich, als einzige Weiße in der Umgebung einfach mitzuspielen. Aber dann dachte ich: „Volleyball spielen kann ich genauso, wie die Spieler dort. Und die Hautfarbe ist egal“. Trotzdem fällt man durch sein Äußeres auf. Ich dachte, das vergesse ich mit der Zeit, wenn ich die Mannschaft besser kenne. Aber es ist auch sehr hilfreich, einmal die Perspektive zu wechseln. Am Ende meines ersten Trainings gab es noch eine Teambesprechung. Ich stand mit einem Höflichkeitsabstand bei der Mannschaft. Verstanden habe ich nichts, denn die Besprechung fand in der Landessprache Setswana statt. Nach der Ansprache des kleinen, kugeligen Trainers an die Mannschaft sagte er auf Englisch zu allen: „Und wir haben eine Neue in unserem Team“, und an mich gerichtet: „Herzlich willkommen!“ Das war ein unglaubliches Glücksgefühl für mich! Also trainierte ich von nun an immer nach der Arbeit auf dem mit Kalahari-Sand bedeckten Betonplatz mitten in der beschaulichen Hauptstadt. Es war eindrucksvoll, wie sich alle beim Training engagierten. Alle schwitzen sehr bei der Hitze. Hemden und Hosen waren triefend nass vor Schweiß. Aber für mich fühlte es sich gut an, durch das Volleyballtraining ausgepowert zu sein, nach all der Büroarbeit. In der ersten Zeit lief ich unzählige Male im Training in die falsche Richtung, weil ich die Anweisungen für die Übung auf Setswana nicht verstand. Das war anfangs lustig, aber frustrierte mich auch zunehmend. Ich merkte, dass ich immer wieder aus der Kommunikation ausgeschlossen war, weil ich die Sprache nicht beherrschte, obwohl ich mich wirklich bemühte. Ich habe mich manchmal mehr als Maskottchen oder als Taxiunternehmen für den Transport zum Training und zurück gefühlt. Was ich aber immer wusste, war, dass mir diese Erfahrung keiner mehr nehmen kann. Je länger ich im Team mitspielte und je besser ich Setswana verstand und auch sprechen lernte, desto intensiver wurden die Beziehungen zu meinen Mitspielern und meine Verflechtung mit dem Team. Da es keine Sporthalle und keine Beleuchtung gab, ging das Training immer bis zum Sonnenuntergang gegen 18:30 Uhr, sowohl im Sommer als auch im Winter. Die langen Sommerabende aus Deutschland fehlen einem doch ganz schön, wenn an jedem Abend spätestens um 19 Uhr der Tag vorbei ist. Dafür lernte ich, wie man effektiv die beißenden Ameisen vom Hartplatz entfernt und wie man mit Hilfe eines Volleyballs den naheliegenden Kreisverkehr zum Erliegen bringt. Bei Ersterem reißt man kleine Äste mit Blättern von den um das Feld wachsenden Büschen ab und wedelt dann damit den Staub und die Ameisen vom Platz, damit sie einem während des Trainings nicht die Beine hochkrabbeln. Mit dem Kreisverkehr war das so: ab und zu schmetterte eines meiner Teammitglieder den Volleyball über den ohnehin instabilen Drahtzaun auf die Straße, was den Autoverkehr im Kreisel aber nur kurz irritierte. Fast immer spielte ein Passant den Ball lachend zurück. Manchmal konnten wir für eine ganze Trainingseinheit einen Balljungen motivieren, uns die Bälle zu holen, die allzu oft auf den angrenzenden Fußballsandplatz oder auf die Straße rollten. Es ist immer etwas während des Trainings passiert. Das war spannend. Mal wurde in Sichtweise der BBC-Film von Mma Ramotswe gedreht, mal gab es einen kleinen Sandsturm und wir mussten das Training kurzzeitig unterbrechen. Unsere Trainingsbedingungen waren ganz anders als in Deutschland. Volleyball ist in Botswana recht populär. In jeder größeren Stadt gibt es einen Volleyballverein und damit auch eine Liga. Ich bin zu sehr vielen Spielen der Mannschaft mitgefahren und habe dadurch sämtliche Sportplätze im Land kennengelernt - vom Polizeicollege bis zum Armee-Sportplatz. Sogar in der einzigen Sporthalle Botswanas war ich dabei. Bei allen Spielen habe ich mitgefiebert und das Team angefeuert. Nur leider erhielt ich als Nicht-Botswanerin keinen Spielerpass. Das ein oder andere Mal hätte ich wirklich gern mit auf dem Feld gestanden und zusammen mit meinem Team gekämpft. Das ging aber leider für mich nur im Training. Der Zusammenhalt innerhalb des Teams war großartig. Ich habe das Team als unglaublich diszipliniert und hart trainierend kennengelernt. Und nicht nur ich habe dies so gesehen. Die Mannschaft von Kutlwano wurde 2010 als das landesweit beste Damen Sportteam des Jahres gewählt. Im Konferenzzentrum des schicksten Hotels der Hauptstadt wurden die Sport-Awards organisiert. Es war ein riesiges Event mit fast amerikanischem Ambiente, bei welchem den besten Sportlern des Landes ihre Titel verliehen wurden. Unter den Kutlwano-Spielerinnen herrschte Aufregung über Kleider, Schuhe, Schminke und Frisuren. An einem Samstag wurde ich zum Kleiderkauf mitgeschleppt. Es war klar, ich brauchte auch ein „kleines Schwarzes.“ Der Abend der Award-Verleihung war großartig. Der Sportminister, viele Verbandsfunktionäre und natürlich das Kutlwano-Team waren da. Der ganze Saal war als Showbühne umfunktioniert, mit Allem, was dazu gehört. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich aufgerufen wurden und dann mit Musik und Spotlight auf die Bühne stolzieren durften, um dort unseren Award in Empfang zu nehmen. Und die Krönung war, dass die Veranstaltung auch noch im botswanischen Fernsehen übertragen wurde. Am nächsten Tag sprachen mich im Büro viele Kollegen an, ob ich das am Samstag im Fernsehen gewesen sei, bei den Sport-Awards. Ja! Das war ich! Meine Zeit in Botswana neigte sich dem Vertragsende zu. Die nächste Meisterschaft, die für die Mannschaft anstand, waren die „African Volleyball Clubs Championships“, eine der wichtigsten und größten Meisterschaften für Vereine in Afrika, die vom Afrikanischen Volleyballverband ausgerichtet wird. Diese sollten für die Damen im Frühjahr 2010 in Algerien stattfinden. Wir waren eifrig am Trainieren und ich war etwas traurig, dass ich diesmal nicht bei dem Turnier dabei sein konnte, um anzufeuern und die Erfolge des harten Trainings mit zu erleben, da die Meisterschaft im Ausland stattfand. Wir trainierten jeden Tag – gleiche Übungen, gleiche Spielerinnen, gleicher Staub, gleiche Hitze, gleiche Rückschmerzen nach dem Training. Aber dann gab es eine erfreuliche Wende. Der Trainer rief mich nach dem Training zu sich und fragte mich, ob ich mit zu den African Volleyball Clubs Championships fahren wolle - als Co-Trainer. Es sei das Abschiedsgeschenk des Vereins für mich und eine Geste, Danke zu sagen, weil ich mich unermüdlich für die Kutlwano-Mannschaft eingesetzt habe. Ich konnte es gar nicht fassen. Er fragte mich wirklich, ob ich mit nach Algerien komme? „Natürlich komme ich mit!“ Ich reichte sofort einen Antrag für Sonderurlaub ein und war überglücklich, als sowohl der DED als auch mein Abteilungschef im Ministerium zustimmten. Ich erhielt ein ganz offizielles Schreiben des Botswana Sport Councils, das mich als Co-Trainerin anforderte. Und es kam noch besser. Der Austragungsort wurde vom Verband geändert und die Meisterschaften wurden verlegt: von Algerien nach Mauritius. Wahnsinn, dieser Trip war das schönste Abschiedsgeschenk, das ich mir vorstellen konnte. In Mauritius habe ich mit dem Team Momente erlebt, die mich tief bewegten. Das waren nicht nur die Spiele in der Sporthalle, sondern insbesondere eine Szene im Bus, auf der Fahrt zum Spiel. Die ganze Mannschaft quetschte sich in einen kleinen Shuttle-Bus der uns von unserer Unterkunft zur Halle brachte. Das Spiel gegen eine Mannschaft aus Kenia stand an und die hatten immerhin Olympiateilnehmer. Die Mädels waren aufgeregt, aber gut drauf. Als eine der Spielerinnen anfing zu singen, stimmten die anderen mit ein. Das war ein unglaublicher Moment, der mich fast zu Tränen gerührt hätte, wenn der Fahrer nicht so wild gefahren wäre. Diesen Augenblick werde ich nicht vergessen. Ich sitze eingequetscht in einem verrosteten Mini-Bus, mitten in einem botswanischen Volleyballteam, fahre über die Insel Mauritius und die Mädels fangen an, mehrstimmige Gospels zu singen, in denen strophenweise nacheinander alle Namen der Teammitglieder gesungen wurden. Meiner auch! Sie haben sich durch die Songs motiviert und bestens auf das Spiel vorbereitet. Später, in der Halle, haben sie vor Spielbeginn auch auf dem Feld gesungen. Das ist Afrika. Es fesselt einen unglaublich. Berührt hat mich auch die soziale Komponente der Mannschaft. Die Spieler, die ein Einkommen hatten, haben einen bestimmten Betrag in die Mannschaftskasse eingezahlt, so dass davon für andere Spieler ohne Einkommen eine Unterkunft, Essen und Ausbildungsgeld bezahlt werden konnte. Somit konnte ich auch einen kleinen Beitrag zur Entwicklung des Teams beitragen. Die Mannschaft von Kutlwano war für mich während meiner Zeit in Botswana mein Familienersatz. Ich war tatsächlich ein Teil der Mannschaft. Noch heute stehe ich mit einigen Mannschaftskolleginnen in Verbindung. Durch die persönlichen Kontakte konnte ich den Alltag, die Kultur und den Sport in Botswana hautnah miterleben. Mein Team hat mich an Orte mitgenommen und mich zu Festen eingeladen, die man als Tourist nicht besuchen kann. Am Ende meiner Zeit hat sogar für drei Monate eine der Spielerinnen bei mir gewohnt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Spielvorbereitung auf afrikanisch: Gospel als Motivation vor dem Spiel

Herausgeber Peter Liepolt

Peter Liepolt, Jahrgang 1967, begann im Alter von 12 Jahren beim Emder Verein BW Borssum mit dem Volleyball. Nach mehreren Stationen in Norddeutschland und im Rhein Main Gebiet gelang 1994 als Spieler mit dem spanischen Verein CV Zaragoza die Meisterschaft in der Segunda Division, der zweiten spanischen Liga.

Ab 1996 war Liepolt für die TSV RW Auerbach als Trainer im Jugend- und Erwachsenenbereich tätig. Die Damen des Bergsträßer Vereins führte er von der Bezirksliga bis in die dritte Liga. Als Trainer nahm er mit Jugendmannschaften an diversen Hessen- und Südwestdeutschen Meisterschaften teil. Zudem war er Trainer in der dritten Liga der TG Wiesloch und Eintracht Frankfurt. Ab 2004 fungierte Liepolt als Landestrainer im weiblichen Nachwuchsbereich in Hessen. Von seinen Spielerinnen schafften es einige bis in die Bundesliga, deutschen und internationen Meisterschaften, Nationalmannschaften und Olympiateilnahmen im Beachvolleyball.

Von 2005 bis 2011 war Liepolt Vorsitzender der Lehrkommission des Hessischen Volleyballverbandes und leitete die B-Trainer Ausbildung. Er ist selbst Inhaber der B-Lizenz, Teilnehmer der A-Trainer Ausbildung und Mitglied in Lehrkommissionen von Landesverbänden.

Hauptberuflich arbeitet Liepolt als Experte für Führungsthemen. Er ist zudem Co-Founder der PG Perspektivgeber GmbH mit dem Institut Perspektive Handwerk

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